Welt.All.Tag

Renate Aichinger

WELT.ALL.TAG

Erzählungen


Erscheinungsdatum: Feber 2012

Hardcover mit Schutzumschlag, 152 Seiten

Preis: € 16,90

ISBN 978-3-902866-00-4

Frau Erna liebt das Tröpferlbad, Herr Augustin die Straße. Frau Z. geht mit der Zeit, die ihr zunehmend davonläuft. Die einen träumen vom Fortgehen, die anderen haben schon ihre Koffer gepackt; bloß das Leben hält sich selten an Träume. Renate Aichinger inszeniert Momentaufnahmen, die alltäglich sind und doch die Welt bedeuten. Ihre Figuren verpassen das Leben und sind doch glücklich: Glücklich in ihrer Seifenblasenwelt, deren Realitätsblase noch nicht geplatzt ist. Mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft enthüllt die Autorin die Absurdität sozialer Klischees. Sie komponiert artifizielle Sprachmusik, setzt in gesellschaftskritischer Absicht Redensarten und die klischeehafte Sprache von Werbung und Trivialkultur ein und verfremdet diese bis ins Groteske. Geschichten, die das Leben schrieb, oder von denen wir annehmen, dass sie so unmöglich stattgefunden haben können. Lichtjahre entfernt von unseren eigenen Erfahrungen. Wie das Weltall eben. 


„Draht. Seil. Akt. Applaus. Und weiter geht’s im Showprogramm. Jetzt wird’s lustig. Frau Berta freut sich immer auf diesen Moment. Ihr Höhepunkt. Wenn er kommt. Tusch. Ihr Pippo. Sie kennt seine Späße. Sind immer dieselben. Und dennoch: wenn die Nummer kommt, wo er sich die Banane genüsslich abschält, da liegt sie schon vor der Schale auf dem Boden. Es folgt, was rutschen muss, nämlich Clown Pippo. Da kann sie sich gar nicht mehr halten. Dann. Klar. Dann sucht er seine Nase. Und wenn er seine Seifenblasennummer auspackt, bleibt kein Auge trocken. Da ist der Alltag aus den Zuschauern gezaubert, Pippo malt ihre Augen bunt an. Für einen Moment.“

 edition laurin


PRESSE 

auch hier

Doch nicht nur die Sprache ist ungewöhnlich bis grotesk. Auch inhaltlich kommt der All­tag keineswegs alltäglich daher. Denn Aichinger setzt das Seziermesser an und erzählt. 

Natalie Fingerhut, Hamburger Feuilleton

Hamburger Feuilleton


Mit diesem Buch legt sie nun einen Debüterzählband vor, der mit Sprache und Wortgemälden spielt. In skizzenhaften Kurzgeschichten entstehen Porträts von Menschen, die mit den Banaliäten des Lebens zu kämpfen haben.

Gabriele Fachinger, ekz


Geschichten von Nebendarstellern, die aus der Banalität herausgehoben werden, in auffälligem Stil ... großes Lob!

Alois Schörghuber, Ö1 Nachtquartier


Manche Begriffe lassen sich neu generieren, indem man sie in ihre Wortteile zerlegt wie die Glücksschweinrädchen in einem Glücksspielksautomaten. Die Wortteile sausen also als Zufallspartikel vor dem Auge ab und ergeben neue Begriffskonstellationen.

Renate Aichinger hat mit ihren gut zwanzig Geschichten und Gedichten die Welt atomisiert und aufgespalten in WELT.ALL.TAG. Die Protagonisten erleben dabei ihre Wahrnehmung als Fragmente eines Ganzen, das ihnen unerschlossen bleibt. Dennoch versuchen sie mit diesen kleinen Wahrnehmungen zurecht zu kommen und sich darin einzurichten wie in einer großen Welt.

So heißt der Schlüsselbegriff für das Leben einer Heldin „schubsen“. Diese scheinbar liebevolle Bewegung, mit der man einem Kind eine Richtung vorgibt und ihm dabei scheinbar Liebkosung angedeihen lässt, erweist sich als fatales Lebensprogramm. So jemand wird nämlich ein ganzes Leben geschubst, auch wenn dabei das Gefühl einer guten Lenkung durch die verstorbene Oma nicht unangenehm ist.

Unter Abseilen lässt sich neben dem gelungenen Überwinden von Höhenunterschieden auch das Abhauen oder Verschwinden verstehen. Frau Berta sitzt auf ihrer Sandler-Bank beim Bier und lässt das Leben in Flashes vorüberziehen, eine Mischung aus Clownerie und Hanswurst, der in Demenz verfallen ist. Offensichtlich hat sich das Leben von den beiden Helden abgeseilt.

Der Müllmann Klaus kommt erledigt von der Arbeit nach Hause und schaut sich den Müll, den er tagsüber eingesammelt hat, noch einmal im Fernsehen an. Dabei trinkt und isst er zusätzlich Müll, bis die Realität vollkommen vermüllt ist.

In der Erzählung „Trockeneis“ säuft sich eine Frau in die Jugend zurück, unter dem Titel „Eierschalentraum“ legt eine Erzählerin ihre Glücksvorstellungen dar und bestellt dabei ein umfangreiches Hochzeitsarrangement.

An anderer Stelle schafft es eine Frau nach langen Überlegungen zu einem „fucking-guten Gefühl“ (93).

Und immer wieder zerlegt sich die Welt, sei es dass daraus Gedichte werden, die in einzelnen Wörtern eine harte Regenstimmung in die Umgebung trommeln, sei es dass sich gängige Begriffe auflösen in „Ost.Block.Ade“ oder „War-tschau“. (115)

Eine Heldin fasst ihr Dilemma zusammen: „Nein, du weißt nicht, wer du bist. Weil du ja ständig liest, wie du bist. In den Sonntagsbeilagen.“ (148)

Renate Aichinger entwickelt viel Sympathie für jene Figuren, die im großen globalen Getriebe nicht mehr richtig funktionieren und ausgemahlen werden wie schlechtes Getreide. Die Schlüsselwörter „Raffen. Kaufen. Rausch.“ (47) funktionieren nur für wenige Augenblicke und fressen anschließend die Helden auf. - Eine durchgehende Kritik an den gängigen Lebensformen mit viel Geduld für jene fragmentierten Individuen, die dabei übrig bleiben. 


Renate Aichinger: WELT.ALL.TAG.

Innsbruck: Edition Laurin 2012. 152 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-902866-00-4.

Renate Aichinger, geb. 1976 in Salzburg, lebt in Wien.

Helmuth Schönauer 26/04/12

TIROLER GEGENWARTSLITERATUR 1434



Friedrich Hahn: In ihrem Debütband »Welt.All.Tag« inszeniert Renate Aichinger

 (*1976) Alltägliches zwischen Tröpferlbad und Seifenblasen-Realität. In 23 Erzählungen zeigt sie kleine Figuren, die aus dem großen Getriebe gefallen sind. Und dabei gar nicht einmal so unglücklich sind ...



TERMINE

30. Oktober 2012 |Alte Schmiede Wien | Lesung

1. Juni 2012 |Literaformance im Rahmen von gemmakunstschaun, Villach

10.–13. Mai 2012 |eingeladen zu den 

35. Innsbrucker Wochenendgesprächen

28.März 2012 | Österreichische Nationalbibliothek, Literatursalon | Lesung

April 2012 | Abseilen | Abdruck in der Südtiroler Tageszeitung Dolomiten