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ARGE KULTUR / AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, ARBEITSLOS

Vom "M real" in die reale Arbeits-Not

Ein "witziger Abend" solle es werden, und trotzdem einer, an dem "dem Publikum das Lachen im Hals stecken bleiben muss". Das schwebte der jungen Regisseurin und Stückautorin Renate Aichinger für ihr ARGEkultur-Projekt vor.

Von Reinhard Kriechbaum

13/11/09 An Identifikationsfiguren fehlt es nicht: Paula, die hintersinnige, tendenziell intellektuelle Werbetexterin - das ist ein Typ, den man durchaus auch im Publikum der ARGEkultur antreffen könnte. Auch einer wie Leon könnte hier regelmäßig und gerne ein und aus gehen. Er nimmt das Leben locker, solange die Sorgen nicht zu schwer auf ihm lasten. Zum Aussteigen aus dem Establishment ist so einer immer gut. Aber gleich aussteigen aus der Arbeitswelt? Das tut dann doch weh.

"Auf die Plätze, fertig, arbeitslos" heißt das Theaterstück, das in der ARGEkultur zum Schwerpunkt-Festival "Angst macht dumm" produziert wurde. Als Regisseurin (und zugleich Textautorin) hat man Renate Aichinger ausgewählt. Die junge Dame ist gebürtige Salzburgerin, sie ist als Dramaturgin ein bisserl in der Theaterwelt herumgekommen. Zuletzt arbeitete sie am Schauspielhaus Zürich, im Kindertheaterbereich. In dieser Sparte ist sie jetzt am Burgtheater tätig.

Worauf zielte sie ab mit ihrem Stück "Auf die Plätze, fertig, arbeitslos", das am Donnerstag (12.11.) uraufgeführt wurde? Eine echte Geschichte erzählt Renate Aichinger nicht, obwohl die Gespräche, die sie und Cornelia Anhaus in den Gängen des AMS (früher sagte man dazu schlicht "Arbeitsamt") geführt haben, gewiss manche hübsche Episode zum Nachspielen abgeworfen hätten. Renate

Aichinger ist ehrgeiziger: Sie hat die Statements und Sätzen sozusagen eingedickt. Eine kleine Revue des Unerfreulichen ist es geworden, und ein Ziel war unter anderem zu fragen: Gibt es "die Arbeitslosen" als soziale Gruppe überhaupt?

Natürlich nicht. Die oben erwähnten über sich selbst reflektierenden Menschen werden mit eher schlichten Figuren wie der handfest denkenden Frau Erna kaum über einen Leisten zu scheren sein. Und Herr Karli, der Jahrzehnte lang von Bürmoos nach Hallein in die Papierfabrik gependelt ist, ist natürlich auch ein Individualist. Merke auf: Es kann alle treffen, und wenn sie alle bloß zu Nummern beim AMS werden, ist das absolut von Übel.

Es kommt im Lauf des revueartig angelegten Stücks auch heraus, dass die beiden allegorischen Figuren "Service" und "Arbeitsmarkt" gar nicht wirklich an den Individuen interessiert sind. Da wird eben viel "verwaltet", und wer sich nicht leicht verwalten lässt, wird rasch fallen gelassen. Auch wenn sich da jemand scheinbar betroffen geriert wie "Vera" in ihrer Reality-Unglücks-Fernsehshow, steckt kaum ehrliches Interesse an der Befindlichkeit des Gegenübers dahinter.

Renate Aichinger spielt gerne mit Formulierungen und sie verbiegt Sprachbilder zu verqueren oder eigentümlichen Gebilden. Wird für die Arbeitslosen ein Schiff kommen? Das Boot ist womöglich voll, oder es hat "abgelegt mit Anlegern" - das geht szenenweise so dahin, von "M real" bis zu realer Tristesse. Und manche wollen Arbeitslose ja auch einfach los haben.

Ein ambitioniertes, nicht ganz ungeschicktes Ensemble ist am Werk: Esther Csapo, Corinna Pum, Tobias Ofenbauer und Harald Jokesch spielen die Arbeitslosen, Barbara Lehner und Magdalena Klein sind die beiden allegorischen Figuren und Spiel-Macherinnen. Man kommt mit einer schiefen Ebene als Spielfläche und vielen Gemüsekisten aus - armes Theater ist natürlich die richtige Wahl für dieses Thema. Vielfarbig illustrierend ist die Musik-Kulisse: Die Popkultur liefert genug Liedzeilen, die gut passen.

Weitere Aufführungen heute, Freitag (13.11.) und am Samstag (14.11.), jeweils um 20 Uhr in der ARGEkultur. Informationen und Karten: www.argekultur.at

Bilder: ARGEkultur